Schildbürgerstreiche im Markt Ebensfeld

Ist das Kelbachtal noch zu retten?

Regelrecht geschockt, aber auch veräppelt zeigten sich bei zwei Ortsterminen in Kutzenberg (Markt Ebensfeld) auf Einladung der Ebensfelder Grünen die Landtagsabgeordnete Ursula Sowa sowie die grünen Bezirksräte mit ihrem Kreisvertreter Mathias Söllner über die Schildbürgerstreiche, die dort den Bürgern, den Patienten und der Natur gespielt werden. Dort prallen nämlich zwei Großprojekte aufeinander, nämlich die planfestgestellte Neubautrasse der Staatsstraße quer durch das Kelbachtal zwischen Ebensfeld und Prächting sowie die Neubaupläne für ein Zentralklinikum in Kutzenberg. Dass hier weder die Planungsbehörden noch die Entscheidungsgremien Bezirkstag und Landtag über das jeweilig andere Projekt informiert wurden, zeugt von einem handfesten Skandal, dem die einzelnen Fraktionen auf jeden Fall nachgehen werden.

Landtagsabgeordnete und Bezirksräte vor Ort

Genau zum rechten Zeitpunkt hatte der Ebensfelder Gemeinderat Otto Weidner zusammen mit Kreisvorsitzenden Valentin Motschmann die Einladung zum Ortstermin ausgesprochen, da seit einigen Wochen erste Veränderungen im Kelbachtal durch Baggerarbeiten im Bereich der geplanten Staatsstraßen-Neubautrasse deutlich zu sehen sind. Die Landtagsabgeordnete der Grünen Ursula Sowa sagte gerne diesem Termin zu, da die gelernte Architektin zum einen aus Bamberg stammt und zum anderen als Mitglied des Ausschusses für Wohnen, Bau und Verkehr genau die richtige Frau für die zwei geplanten Großprojekte im Ebensfelder Bereich ist. Auch Bezirksrat Mathias Söllner aus Lichtenfels war gleich dabei, da das Bezirksklinikum Kutzenberg ja komplett in der Hand des Bezirkes liegt und er sich vor Ort einen Eindruck von der Situation verschaffen wollte. Und die Eindrücke sollten für beide Abgeordnete bleibend werden.

Ortstermin im Kelbachgrund


Ewiges Drama Kelbachgrundanbindung

Mit dem Fahrrad ging es über die bestehende und dringend sanierungsbedürftige Trasse der Staatsstraße 2187 von Ebensfeld aus in Richtung Prächting. Unterwegs gaben Otto Weidner und der Ortsvorsitzende des BN Ludwig Wendler allen Teilnehmern im Zeitraffertempo einen Überblick über mehrere Jahrzehnte Überlegungen, die Verbindungsstraße in den Kellbachgrund zu verbessern und zusätzlich auch eine landschaftsschonende Anbindung an die Autobahn A 73 zu schaffen. Dies wurde leider durch das sture Beharren der Orts- und Kreis-CSU auf eine große, veraltete und zugleich teure und naturzerstörende Neubautrasse quer durch das gesamte Kellbachtal blockiert. Dazwischen lagen ein Bürgerentscheid, der sich mit 2 Stimmen Mehrheit für eine Rücknahme der Gemeindeklage gegen die Plantrasse aussprach, Klagen des BN aber auch der Gemeinde sowie unzureichende Prüfungen seitens der Planungs- und Genehmigungsbehörden von Alternativen, die auch die Vorteile für den Kernort Ebensfeld mit einbezogen hätten. Dass dabei auch massiver Druck seitens des Landrats Christian Meissner und des Landtagsabgeordneten Jürgen Baumgärtner aufgebaut wurde, um die mittlerweile auf weit über 4 Millionen Euro teure Trasse „endlich“ durchzuziehen, blieb dabei nicht unerwähnt. Regelrecht im Halse stecken blieb hierbei Uschi Sowa das Lachen, als sie erfuhr, dass auf der seit Jahrzehnten in Gemeindehand befindlichen Abkürzungstrasse der Doppelkurve bei der Presslermühle nun eine Ausgleichsfäche geplant ist und somit eine Sanierung der alten Trasse, die dann in die Baulast der Marktgemeinde fallen soll, blockiert wurde. Auf der Verbindungsstraße Richtung Hankirche konnten alle dann bereits einen ersten Eindruck von der auf einem Damm durch die Talaue geführten Trasse erahnen.

Eine Staatsstraße direkt am Klinikumneubau vorbei

Der kurze Anstieg mit den Rädern Richtung Kutzenberg wurde für alle mit einem grandiosen Ausblick auf die Hankirche, das Kelbachtal, den Veitsberg als Ebensfelder Hausberg und den dahinter erkennbaren Staffelberg belohnt. Warum am nordöstlichen Rand von Kutzenberg genau der richtige Platz für den geplanten über 100 Millionen Euro veranschlagten Neubau des Klinikums ist, stieß deshalb auf allgemeines Verständnis. Als allerdings Wendler und Weidner anhand der Pläne der Staatsstraßentrasse veranschaulichten, dass knappe 150 Meter entfernt von einem Krankenhaus für Menschen mit psychischen Problemen in Zukunft laut Prognose des Straßenbauamts ca. 1200 Fahrzeuge vorbeirollen sollen, waren Kopfschütteln bei allen Anwesenden noch die geringsten Unmutsäußerungen. Als jedoch noch zur Sprache kam, dass alle beteiligten Behörden bei Nachfrage vorgaben, nichts vom jeweilig anderen Bauprojekt zu wissen und die Entscheidungsgremien im Bezirk und im Landtag auch nicht darüber informiert wurden, vermutete man dahinter mehr eine bewusste Täuschung der Mandatsträger als einen aus tatsächlicher Unwissenheit herrührenden Schildbürgerstreich. Bei Uschi Sowa, die bis zu diesem Zeitpunkt in der Staatsstraßenplanung eine längst entschiedene Sache vermutete, ratterten nun sämtliche Gedanken und Überlegungen los, wie man eine solche Fehlplanung zweier Großprojekte nebeneinander noch umplanen könne. Auch der Bezirkstagsvertreter Söllner zeigte sich schockiert, dass man mit großen finanziellen Aufwand den Standort Kutzenberg erhalten und ausbauen will und gleichzeitig durch eine Entscheidung für eine unsinnige und naturzerstörende Straßenbautrasse im Landtag das Gesundheitsprojekt und die Gesundheit der Patienten gefährdet werden. Beide Vertreter waren spontan bereit, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um eine Lösung zu finden.

Planungen ohne Gesamtverkehrskonzept

Der ebenfalls anwesende Kreisvorsitzende des BN Anton Reinhardt brachte es mit einem bewegenden Statement auf den Punkt. Er bedauerte angesichts der Bilderbuchlandschaft, die man vom Standort des neu geplanten Klinikumkomplexes von Kutzenberg aus bewundern kann, dass die Straßenbauverwaltung nach wie vor eine flächenverschwendende Neubautrasse der Staatsstraße 2187 zwischen Prächting und Ebensfeld mit der Direktanbindung an die A 73 realisieren wolle und mahnte: „ Da der Ziel- und Quellverkehr vom Kelbachgrund zum Kernort Ebensfeld weiter auf der alten Trasse bleiben wird, handelt es sich bei der Neubautrasse um eine Luxus-Trasse für wenige Nutzer. Die Neubautrasse wird jedoch die Landschaft verschandeln und die Wohn- und Lebensqualität der Patienten, des Pflegepersonals und der Ortsansässigen Kutzenbergs sowie von Prächting und Kleukheim durch steigendem Lkw-Verkehr verschlechtern. Außerdem wird die neue Straße etwa 4,4 Mio. € Gesamtkosten verursachen. Hier zeigt sich der ganze Wahnsinn oberfränkischer Straßenbaupolitik. Da wundert es niemanden mehr, dass Oberfranken der Regierungsbezirk mit dem größten Flächenverbrauch für Verkehrsflächen ist. Obwohl die Bevölkerung in Oberfranken deutlich sinkt, wird hier der Flächenfraß auf die Spitze getrieben, und das für eine Straße, die nicht zu rechtfertigen ist.“

Und es wird noch verwirrender

Kurz nach dem Ortstermin überschlagen sich die Ereignisse laut Gemeinderat Weidner. Eine verwirrende Pressemitteilung des Bezirks und der Standortleiterin des Bezirksklinikums Obermain deklariert die Erdarbeiten für die zukünftige „Umsiedlung“ geschützter Tierarten an der Neubautrasse fälschlicherweise als Baustraße für den Klinikneubau, wohl wissend dass zwischen Neubautrasse und den Wirtschaftsgebäuden von Kutzenberg extra noch eine zusätzliche Bau- und Versorgungsstraße geplant ist. Natürlich hat auch die Marktgemeinde Ebensfeld mit den Ökologischen Ausgleichsmaßnahmen entlang der Straßentrasse nichts zu tun, sondern einzig und allein das Staatliche Bauamt, weshalb der „Dank“ von Standortleiterin Gill völlig verfehlt ist und zudem mit dem Klinikumneubau nichts zu tun hat. Gemeinderat Weidner betont abschließend, dass die Staatsstraßenplanung völlig unabhängig von dem begrüßenswerten Klinikumneubau zu sehen ist. Auch im Hinblick auf die zukünftige Weiterentwicklung des Ebensfelder Gewerbegebiets von Ebensfeld muss jetzt alles unternommen werden, um die Kelbachgrundanbindung mit einer Entlastung des Ortskerns in Einklang zu bringen. Dass dies mit der geplanten Trasse direkt am Klinikum vorbei nicht zu schaffen sein wird, dürfte jetzt auch im Bezirkstag und im Landtag angekommen sein. Ist das Kelbachtal vielleicht doch noch zu retten?

Erstveröffentlichung im Oktober 2020

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