Parteien, die Angst machen haben einen Stein im Brett bei vielen Wählern. Das zeigt die Wahl von Trump in den USA, aber auch der Zulauf zu rechten und äußerst rechten Parteien in Deutschland und in Europa. Sie setzen nicht zufällig auf das Thema „Migration“. Denn Migration macht Angst – Angst vor Überfremdung, Angst vor Veränderung, Angst vor messerstechenden Arabern… Aber ist diese Angst begründet? Wird Deutschland tatsächlich von Migranten überrannt?
In ihrem Vortrag im „Heiners“ in Bad Staffelstein im Vorfeld der Mitgliederversammlung des Lichtenfelser Kreisverbandes der Grünen, lieferte Dr. Susann Freiburg Zahlen, Daten und Fakten zum Thema.
Zunächst räumte sie anhand von Statistiken mit dem Vorurteil auf, dass die Migration momentan besonders hoch ist. Die weltweite internationale Migration liegt schon lange bei etwa drei Prozent. Nur ein kleiner Teil, ungefähr zehn Prozent der Menschen, die ihr Heimatland verlassen, sind Flüchtlinge und suchen Schutz aus Furcht vor Verfolgung. Die große Masse derjenigen, die zu uns kommen, wird aktiv von Personalagenturen angeworben. Dieser Fakt wird von der Öffentlichkeit allerdings nicht wahrgenommen. Der Fokus liegt auf den Flüchtlingen, also den unerbetenen Einreisen. 2019 etwa sind nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge rund 1,6 Millionen Menschen nach Deutschland zugewandert. Lediglich 165 tausend davon stellten einen Asylantrag. Der Näherungswert lag in den letzten Jahrzehnten meist zwischen zehn und 20 Prozent.
Häufig wird übersehen, dass Migranten hier dringend gebraucht werden, um den Lebensstandard aufrecht zu erhalten. Deutschland hat einen riesigen Fachkräftemangel. Das gilt in vielen Branchen, unter anderem im Gesundheitssektor. „Ich kann nicht verstehen, wie die Menschen einerseits jammern, sie würden für ihre Angehörigen keinen Platz im Altersheim bekommen und andererseits auf Ausländer schimpfen. Wer macht denn die Pflegearbeit in den Altersheimen? Das sind doch sehr oft Menschen mit Migrationshintergrund!“ Einer der Gäste verwies auf die Spitzengastronomie: „Ohne Unterstützung von Zuwanderern könnten viele Lokale dichtmachen.“ Auch in der Baubranche oder im IT-Bereich, aber auch in der Logistik werden in Deutschland händeringend Fachkräfte aus dem Ausland gesucht. Die Liste der „Mangelberufe“ für die die Einreise in die EU erleichtert ist, wird immer länger.
„Ohne Migration hätten wir auch ein Problem bei der Finanzierung unserer Renten. Die Deutschen werden immer älter. Außerdem sackt die Geburtenrate ab,“ wusste die Referentin. Inzwischen hat etwa ein Viertel der bei uns Lebenden einen Migrationshintergrund. „Bei unserer Herren-Fußballnationalmannschaft sind es sogar der 20 von 50 Spielern, also 40 Prozent. Ohne Spieler wie Sane, Musiala, Gnabry, Süle oder Rüdiger könnten wir einpacken!“
Die deutsche Politik steht also vor einem Dilemma: Einerseits brauchen die Unternehmen dringend Fachkräfte, um ihren Betrieb aufrecht erhalten zu können. Andererseits schüren rechte Parteien und einige Medienhäuser permanent Angst vor Überfremdung. Dieser Widerspruch wird elegant dadurch gelöst, dass einerseits die Hürden für den Zuzug nach Deutschland im Sinne der Wirtschaft gesenkt werden. Andererseits wird Symbolpolitik betrieben, um der Stimmung in der Bevölkerung gerecht zu werden: Man tut so, als ob mit einer verstärkten Sicherung der EU-Außengrenzen und Obergrenzen bei der unerbetenen (!) Einreise Flüchtlinge abschrecken könnte. Grenzzäune sind jedoch wirkungslos, wenn die Menschen legal ein- und dann nicht mehr ausreisen.
Die einhellige Meinung der Runde war, dass man Menschen, die Schutz suchen, schneller in Arbeit bringen muss, weil der Kontakt zu Einwanderern Vorurteile abbaut. So gesehen ist Arbeit die beste Art der Integration. In diesem Zusammenhang stellte sich abschließend die Frage: Wie steht es um eine Demokratie, wenn die Schwächsten einer Gesellschaft als Feindbild missbraucht werden, um sie für Wahlkampfzwecke zu nutzen?
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